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Missbrauch in der Kirche

Die durch das Gutachten des Erzbistums München-Freising aufgezeigten Missbrauchsfälle lassen uns, wie viele andere, erschauern. Jeder einzelne sexuelle Missbrauch ist schlimm und in keiner Weise zu rechtfertigen. Dazu kommt der Umgang mit dem Missbrauch, der gleichfalls erschütternd ist.

Als Papst hat sich Papst emeritus Benedikt vehement gegen jeglichen Missbrauch eingesetzt und eine harte Bestrafung der Täter gefordert. Ein übergriffiger Priester konnte aus seiner Sicht nicht Priester bleiben, auch wenn das Problem für die Gesellschaft mit einer Suspendierung noch nicht gelöst ist. Durch diese Haltung hat er sich viele Feinde, auch vatikanintern, gemacht. Trotzdem hat er wohl als Erzbischof aus heutiger Sicht Fehler begangen.

Nun ist Benedikt ein Greis, der sich nicht mehr lange am Stück konzentrieren kann. Bis er die 1900 Seiten des Berichts selber gelesen hat und persönlich dazu Stellung nehmen kann, wird wohl einige Zeit vergehen. Seine erste Stellungnahme stammte daher kaum von ihm, sondern wohl eher von Mitarbeitern, die offensichtlich immer noch nicht verstanden haben, um welches Übel es beim Missbrauch geht. Auf die Antwort Benedikts sind wir gespannt, können aber momentan nicht in seine allgemeine Verurteilung einstimmen im Wissen um seine klare Haltung als Papst.

Verharmlosung von Exhibitionismus (“es hat ja keine Berührung gegeben”) ist unsäglich und peinlich. Sich für einen redaktionellen Fehler zu entschuldigen, aber nicht bei den Opfern, ist zynisch. Aber vielleicht wird diesbezüglich ja noch Klarheit geschaffen, falls Benedikt tatsächlich noch in der Lage ist, den Bericht zu lesen und zu verstehen und darauf zu antworten. Abgesehen davon kennen wir niemanden persönlich, der den ganzen Bericht gelesen hat.

Positiv anzumerken ist, dass in vielen Bistümern Deutschlands und auch in der katholischen Kirche der Schweiz die Kirche selbst unabhängige Gutachten in Auftrag gegeben hat. Es liegt durchaus vielen Bischöfen daran, reinen Tisch zu machen, auch wenn die Konsequenzen aus den Gutachten nicht immer erkennbar sind. Verantwortung übernehmen heisst für uns, dass Klärung und Neuanfang auch personelle Konsequenzen haben müssen. Wer vertuscht hat oder immer noch nicht mit offenen Karten spielt, sollte nicht in seinem Amt bleiben. Unklarheiten in der Haltung färben auch auf alle diejenigen Mitarbeitenden in der Kirche ab, die sich vorbildlich um die Menschen kümmern, die ihnen anvertraut sind. Es muss eine glaubwürdige Entwicklung geben – wir möchten als Pfarrer und Leitungsassistentin nicht ständig unter Generalverdacht stehen.

Die klare Haltung unseres Bischofs Joseph Bonnemain ermutigt uns. Es darf der Kirche nicht um sich selbst und das eigene Ansehen gehen, sondern es geht um die Opfer und das Leisten von Genugtuung. Und natürlich muss über die systemischen Umstände gesprochen werden, die Missbrauch in der Kirche ermöglichen. Dazu wurden bereits einige Schritte von Seiten der Schweizer Bischofskonferenz unternommen, u.a. durch die Gründung des Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» (Fachgremium „Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld“ – Schweizer Bischofkonferenz (bischoefe.ch)). Dies sind Schritte, die uns hoffen lassen, ebenso wie der im November letzten Jahres von der SBK, der RKZ und der KOVOS unterzeichnete Vertrag für ein Pilotprojekt zur Erforschung der Geschichte sexueller Ausbeutung im Umfeld der röm.-kath. Kirche in der Schweiz. Hinschauen und Benennen sind die wichtigen ersten Schritte auf diesem schwierigen Weg, den die Kirche nun gehen sollte.

Monika Bieri, Leitungsassistentin; Pfr. Andreas Rellstab

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